Roter Raum
Ein kräftig gewobenes Band am unteren Bildrand ist die einzige, deutlich sichtbare Begrenzung und wirkt als tragendes Fundament. Darüber dehnt sich in unzähligen, ineinander fliessenden Farbtönen unscharf eine rote Unendlichkeit. Im Kontinuum der nahtlosen Übergänge findet sich kein Horizont, das Auge sucht vergeblich einen festen Punkt. Der Blick versinkt in der glühenden Tiefe. Wer diesen roten Raum betritt, wird sich darin verlieren. Rot ist die Farbe der Liebe, die Farbe der Scham, des Zorns und der Wut. Wer rotsieht ist gefährdet, wer errötet, fühlt Liebe oder Scham. In Zornesröte geraten wir ausser uns. Ein roter Kopf ist kein kühler Kopf. Rot sind die warmen und heissen Gefühle, die uns erhitzen, verändern und verzehren. An Rot kommen wir nicht vorbei. Rot fällt uns immer auf. Unser menschliches Auge ist übrigens genau dafür ganz besonders ausgerüstet. Mein Blick verlässt den glutroten heissen Raum, bevor er sich darin erschöpft, versengt und ganz verliert.
Bildbetrachtung von Zeno Schneider